Verfahrenstechnik Teiglinge (Teil 3)
Hefe- und Enzymaktivität
- Wie beeinflussen Temperatur und Gärung die Herstellung von Weizenkleingebäcken?
- Welche Schlüsseltemperaturbereiche sind für die Steuerung der Gärprozesse relevant?
- Wie können verschiedene Temperaturbereiche kombiniert werden, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen?
- Wie wirken sich Hefe- und Enzymaktivität auf die Teigqualität aus?
- Welche Faktoren müssen bei der Bewertung von Teiglingsbackverfahren berücksichtigt werden?
- Was ist bei der Einführung eines (neuen) Herstellverfahren zu beachten?
Dass überhaupt für ein und dasselbe Produkt (hier vor allem aus dem Bereich der Weizenkleingebäcke) eine Vielfalt unterschiedlicher Herstellungsverfahren entstehen konnte, verdanken die Bäcker dem Umstand, dass einer der wichtigsten Herstellungsschritte temperaturabhängig verläuft und deshalb durch gezielte Steuerung der Temperatur auch beschleunigt, verlangsamt oder sogar (fast) vollständig gestoppt werden kann: Das Gären.
Die Bandbreite der bei der Gärung nutzbaren Temperaturen ist durch die Bestandteile des „Rohmaterials“ vorgegeben, das alle Bäcker dieser Welt nun einmal verarbeiten: Teig. Zwei Inhaltsstoffe des Teigs sind es vor allem, die sich durch Klimatisierung gezielt beeinflussen lassen: Die Hefe, die mit den im Zuge der Gärung entstehenden Gasblasen Teig und Teiglinge lockert. Und eine Vielzahl von Enzymen, die in komplexen biochemischen Prozessen zum Beispiel die Spaltung von Stärke bewirken und dabei ganz entscheidend zur Ausbildung von wesentlichen Qualitätsfaktoren wie Aroma, Farbe und Geschmack beitragen.
Neben der Auswahl der geeigneten Rohstoffe und Rezepturen sind es daher vor allem die verschiedenen Temperaturniveaus und die diversen Verfahren der Bäckerkälte, mit denen der Bäcker diese biochemischen Vorgänge steuert. Aus den temperaturbedingten Aktivitäten von Hefe und Enzymen ergeben sich folgende Schlüsseltemperaturbereiche, mit denen sich Gärprozesse steuern lassen:
Den Gärprozess steuern: Die Temperatur macht den Unterschied
+20 bis +40 °C
Gären bei Raumtemperatur bis hin zum forcierten Gären (beim „Gärungsoptimum“ von +32 °C).
+5 bis +20 °C
Verlängerung der Gärzeit durch Kühlung (d.h.: verlangsamte Gärung) im Plus-Temperaturbereich. Je nach Prozess sind Gärzeiten von 4, 8 oder auch bis zu 24 Stunden möglich. Da Hefe und Enzyme weiter aktiv sind, findet eine echte Entkopplung des Backprozesses von der Aufbereitung und Gärung auf diesem Temperaturniveau noch nicht statt.
-6 bis +5 °C
-18 bis -7 °C
< -18 °C
Tiefkühlung: das Patentrezept für maximale Lagerung?
Prinzipiell (aber eben nur prinzipiell) lassen sich die verschiedenen hier aufgeführten Temperaturbereiche in beliebiger Folge kombinieren, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Aus der vollkommen unstrittigen Tatsache, dass sich enzymatische und Hefegärungsvorgänge durch entsprechende Temperierung beschleunigen, verlangsamen oder unterbrechen lassen, darf man nun freilich nicht einfach schließen, man bräuchte, um Teiglinge zu einem bestimmten Zeitpunkt backfertig zu haben, nur noch in einer Tabelle ablesen, wie lange man sie bei welcher Temperatur lagern muss, um exakt den gewünschten Zeithorizont zu überbrücken.
Und für den Notfall könne man sie ja jederzeit beliebig lange in den Frostungstiefschlaf versenken. Derart schlicht funktioniert Teigführung in der Praxis leider nicht, nicht einmal dann, wenn man sich auf die „Zauberkräfte“ moderner Backhilfsmittel stützt. Das liegt zum einen an den Prozessen selbst. Man kann beispielsweise den Gärprozess nicht beliebig in die Länge ziehen, nicht einmal auf Tiefkühlniveau, weil früher oder später Abbauprozesse die Teiglinge ruinieren.
Die Chemie muss stimmen: Hefe- und Enzymaktivitäten verstehen
Wem an Qualität liegt, der wird sich daher darum bemühen müssen, durch eine kluge Temperierungsfolge die Hefe- und die Enzymaktivitäten in eine ausgewogene Gleichgewichtslage zu bringen, was Auswahl und Kombinationsmöglichkeiten der Klimatisierungsphasen deutlich einschränkt.
Schließlich ist das Teiglingsbacken – und selbstverständlich auch jede Art der Teigführung – immer in einem Gesamtkontext (des Betriebes, der Backstubenorganisation, der Filialbelieferung, …) zu sehen, was allzu phantasievolle Klimatisierungsabfolgen in aller Regel sofort ausschließt.
Die Qual der Wahl: Den einen Königsweg gibt es nicht
Bei der Bewertung eines Teiglingsbackverfahrens müssen also neben der damit erzielbaren Produktqualität immer auch seine Auswirkungen auf das ganze Produktionsumfeld bedacht sein, auf die betriebliche Organisation zum Beispiel, die Anforderungen an Kühl- und Lagerfläche, die Energiekosten, die Transportfähigkeit der Teiglinge, usw.
Deshalb nehmen wir auch im Folgenden die Gesamtheit der Abläufe in den Blick, die mit einer bestimmten Prozessfolge verbunden sind, von der Fertigstellung der Teiglinge, besser noch: beginnend bei der Rezeptur und den Rohstoffen über eventuelle Gär-, Kühl-, Frostungs und Lagerungsstufen bis hin zur Expedition und zum abschließenden Backen im Laden oder an einer anderen kunden- bzw. verzehrsnahen Station. Denn ein Verfahren will in all diesen Disziplinen bedacht sein, bevor es sich als Königsweg für Ihre Produktion empfiehlt.
Bei Ihrer persönlichen Entscheidungsfindung wird es letzten Endes immer darauf ankommen, welches Ziel Sie mit einem Herstellungsverfahren vorrangig verfolgen wollen. Ein Bäcker, der vor allem daran interessiert ist, qualitativ möglichst hochwertige Backwaren mit charakteristischem Aroma nebst intensiver Farbe und Geschmack zu erzeugen, wird möglicherweise einen bestimmten Temperaturbereich favorisieren, bei dem die Hefegärung nur verlangsamt ist, die enzymatische Aktivität aber weiter voranschreitet, und er wird dabei im Interesse höchstmöglicher Produktqualität eventuelle organisatorische Komplizierungen durchaus in Kauf nehmen.